Suchtberatung im Gefängnis

Im Gespräch mit einem Klienten der Suchtberatung in der JVA Zeithain.

„Draußen kannst du alles verdrängen, hier drin
bist du zum Nachdenken gezwungen.“

Herr R. sitzt seit September 2023 in der Justizvollzugsanstalt Zeithain. Bis zur voraussichtlichen Entlassung im Dezember 2025 besucht der 45-jährige Riesaer die Suchtberatungsstelle der Diakonie Meißen. Im Gespräch berichtet er von seinen Erfahrungen, von der Beratung und was ihn zur Teilnahme motiviert.

Felix Kim: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit uns zu sprechen. Sie besuchen aktuell die Suchtberatung. Mögen Sie uns zu Beginn erzählen, welche Drogen Sie konsumiert haben und wie es dazu kam?

A. R.: Klar. In meinem Fall hing es vor allem mit der Arbeit zusammen. Ich bin gelernter Maurer und war als Vorarbeiter auf Montage. Es gab viel zu tun. Der Zeitdruck war enorm. Eines Tages bot ein Kollege an, Crystal zu nehmen. Er meinte, dass wir so noch mehr leisten könnten.

Ich habe das damals völlig unterschätzt. Tatsächlich haben wir dann pausenlos gearbeitet. Es gab dafür sogar Lob vom Chef. Echt bizarr. Die Droge hat uns gewissermaßen geholfen. Zumindest war das anfangs mein Gefühl. Nach einem halben Jahr habe ich dann die Auswirkungen gespürt – körperlicher Verfall, Schlaflosigkeit. Später habe ich selber Stoff besorgt und bin unter Betäubungsmitteleinfluss in eine Verkehrskontrolle geraten. So kam das eine zum anderen. Zusammengerechnet habe ich seit 2017, also über sieben Jahre ziemlich viel Crystal konsumiert.

Felix Kim: Woher kam der Entschluss, an der Suchtberatung in der JVA teilzunehmen?

A. R.: Naja, ich habe mich gefragt, wer überhaupt in einem Gefängnis bleiben will. Draußen kannst du alles verdrängen, hier drin bist du zum Nachdenken gezwungen. Mir kam schnell die Einsicht, dass ich etwas ändern muss. Deswegen bin ich hier zum ersten Mal zur Suchtberatung gegangen. Ich hatte die Plakate gesehen und habe dann einfach einen Antrag gestellt. Bis zum ersten Termin musste ich nicht lange warten. Die Einzelgespräche gingen sofort los und es wurden individuelle Maßnahmen für mich getroffen. Das alles lief auf freiwilliger Basis, aber klar: ich musste dabei auch über meinen Schatten springen. Die Beratung von Frau Kretzschmar war von Beginn an professionell und hat es mir leicht gemacht. Über die Zeit ist ein vertrauensvolles Verhältnis entstanden.

Felix Kim: Können Sie uns schildern, wie so eine Beratungsstunde abläuft und wie es sich für sie anfühlt?

A. R.: In meiner Gruppe haben die Teilnehmer jeweils mehrere Drogen konsumiert und leiden unter ganz unterschiedlichen Süchten. Das Angebot ist halboffen. Einige Plätze, so wie meiner, sind reserviert; andere stehen offen für kurzfristige Behandlungen. Wir treffen uns jeweils für eine Stunde. In der Regel sind wir sechs bis acht Männer. In der kleinen Runde und dass wir ähnliche Erfahrungen gemacht haben, erleichtert den Austausch. Wie reden über den letzten Clean-Stand, was einen bedrückt und worüber wir uns sorgen. Jeder ist mal dran, aber ohne Zwang. Jeder entscheidet, wie weit er sich öffnen möchte. Dabei gehen manche Geschichten unter die Haut. Es entstehen Gespräche, die so auf Station gar nicht möglich wären. Ich bin froh, diesen Kurs besuchen zu dürfen – und ich weiß, dass es den anderen Teilnehmern auch so geht.

Felix Kim: Abschließend: Welche Bedeutung hat das Angebot der Suchtberatung für Sie – was würde Ihnen fehlen?

A. R.: So eine Gruppe ist auch immer ein geschützter Raum. Mir helfen die regelmäßigen Treffen dabei, das Ziel nicht aus dem Blick zu verlieren. Die Gruppe gibt mir Kraft. Auch weil ich die Probleme der anderen sehe und weiß, dass es sie zum Teil viel schwerer getroffen hat als mich. Durch Schicksalsschläge etwa. Keiner wird hier allein gelassen. Die Beratung führt zurück auf den richtigen Weg. Deswegen halte ich das Angebot und die Arbeit von Frau Kretzschmar für sehr wichtig.

Felix Kim: Vielen Dank für Ihre Offenheit und die Einblicke, die Sie uns gegeben haben. Ich wünsche Ihnen viel Kraft auf dem weiteren Weg.