Keynote der Interkulturellen Wochen

Am Samstag, den 25. September 2021 fand die Keynote-Veranstaltung der Interkulturellen Wochen in der Frauenkirche Meißen statt. Nach Grußworten, u.a. von den beiden Schirmherren Landrat Ralf Hänsel und Superintendent Andreas Beuchel, gab es einen spannenden Impulsvortrag von Migrationsforscher und Regierungsberater Gerald Knaus (Europäische Stabilitätsinitiative).

Er machte darauf aufmerksam, dass die Genfer Flüchtlingskonvention nach Ende des Zweiten Weltkrieges eine „radikale Idee“ gewesen sei, weil sie die individuelle Schutzbedürftigkeit von Menschen in den Mittelpunkt stellte (und nicht etwa ihre Religion oder Rasse). Auch heute noch solle das Teil der europäischen Kultur sein. Tatsächlich scheint dies jedoch nicht der Fall: Aktuell erfrieren Menschen an der polnisch-belarusischen Grenze, weil ihnen der Zutritt verwehrt wird. EU-Staaten wie Ungarn verrohen in ihrer „Sprache der Hydraulik“, wenn sie die Flüchtlingsdebatte mit „Strömen, Flüssen, Wellen“ beschreiben und so den Eindruck einer kaum beherrschbaren Naturkatastrophe erwecken.

„Wenn es nicht gelingt zu zeigen, dass eine reguläre Aufnahme von Flüchtlingen keine Überlastung für den Staat darstellt, dann bin ich tief besorgt, dass es nur eine Frage der Zeit ist bis Pushbacks, die in jedem einzelnen Fall einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention darstellen, allmählich legalisiert werden“, so Knaus. Er sieht die EU hier in der Pflicht. Seenotrettung allein genüge dabei nicht, es brauche mehr als das: u.a. geregelte Resettlements (z.B. 0,05%-Aufnahme von Migrant*innen pro Staat) und effiziente Patenschaftsprogramme zur Integration der Menschen (nach dem Vorbild Kanadas‘ „NEST-Patenschaften“).

Im anschließenden Podiumsgespräch mit Dr. Joachim Klose (Konrad-Adenauer-Stiftung) und Stephan Bickhardt (Evangelische Akademie Sachsen) eröffneten sich weitere interessante Aspekte. Für zivilgesellschaftliches Engagement brauche es v.a. mehr Empathie und Nähe zwischen den Menschen. „Solidarität kann man nicht einfordern, man kann sie nur spenden“, sagte Klose.

Aus dem Publikum gab es abschließend zahlreiche Nachfragen zur geregelten Aufnahme von Flüchtlingen und wie das im Landkreis Meißen umzusetzen sei. Wie würde die Öffentlichkeit z.B. in den Sozialen Medien auf eine systematische Aufnahme von Flüchtlingen reagieren? Wie funktionieren Patenschaften vor Ort und inwiefern wäre das NEST-Programm eine Option?

Bildrechte: Diakonie Meißen, Migrationsberatung (Fotograf: Konstantin Hananov)